Über das Projekt

Dieses Projekt wurde von 33 Schüler*innen des Hölty-Gymnasiums Celle in durchführender Partnerschaft durch „Arbeit und Leben, Niedersachsen“ erstellt.

Logo des Hölty-Gymnasuims Celle-Hambühren

An diesem Projekt haben wir vom 13. bis 19. Dezember 2024 gearbeitet. Dazu haben wir uns zuerst inhaltlich mit dem Thema „Zwangsarbeit im Nationalsozialismus“ beschäftigt und waren zu Besuch in der Gedenkstätte Bergen-Belsen und auf dem ehemaligen Gelände des Außenlagers Ovelgönne „Waldeslust“. Anschließend haben wir in einer dreitägigen Projektphase die Designs und die Inhalte für die Infotafel und Website erarbeitet.

Wir erstellten diese Website und die Gedenktafel, um an die Frauen aus dem Frauen-KZ zu erinnern und zu zeigen, dass dies nie wieder passieren soll.

Unsere Unterstützer und Förderer:

Izabella Strauch-Choko


Allgemeine Informationen

Das ehemalige Lager 3 in Ovelgönne

Das Lager III, auch als Lager „Waldeslust“ bezeichnet, wurde Mitte 1943 als Außenlager des Konzentrationslagers Bergen-Belsen eingerichtet. Es befand sich am Wiesenweg in Ovelgönne. Die Baracken des Lagers III erstreckten sich über eine Fläche von 4.227 Quadratmetern. Das Lagergelände gehörte zu dem riesigen Areal der „Muna“ (Lufthauptmunitionsanstalt), die der Produktion und Lagerung von Munition diente. 1943 wurden in anderen Bereichen der Muna bereits mindestens 2000 Arbeiter und Zwangsarbeiter eingesetzt. 

Auf dem Muna-Gelände befand sich ebenfalls der alte Kalischacht „Prinz Adalbert“. Dieser sollte ab 1944 von der Bremer Firma Focke-Wulf Flugzeugbau GmbH zur Produktion von Waffen hergerichtet werden, was vom Ministerium für Rüstung und Kriegswirtschaft geplant wurde. Im Lager III wurden dazu 400 jüdische Frauen inhaftiert, die unter menschenunwürdigen Bedingungen Zwangsarbeit verrichten mussten. Die Gefangenen blieben bis Februar 1945 im Lager.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Gelände bis 1993 als Unterkunft für Flüchtlinge genutzt. Anschließend erfolgte schrittweise der Abriss der Anlagen. Heute erinnern nur noch wenige Überreste des Lagers an diese dunkle Zeit der Geschichte.

Quelle:
Anette Wienecke: „Besondere Vorkommnisse sind nicht bekannt“. Zwangsarbeit in unterirdischen Rüstungsbetrieben. Wie ein Heidedorf kriegswichtig wurde, Bonn 1996, S. 53f., 70, 110-113, 154.

Der Alltag und die Wahrnehmung des KZ-Außenlagers „Waldeslust“ 

Die Zwangsarbeit in „Waldeslust“ umfasste schwere körperliche Tätigkeiten wie Straßen- und Gleisbau, das Schleppen von Baumstämmen sowie Aushub- und Betonarbeiten im Kalischacht „Prinz-Adalbert“. Die Arbeitsbedingungen waren katastrophal.

Die meisten Zwangsarbeiterinnen wurden im Kalischacht eingesetzt.  Ihr typischer Arbeitsalltag war geprägt von Nachtschichten, die gegen 18 Uhr begannen und um 6 Uhr morgens endeten. Anschließend kehrten die Frauen etwa um 7:30 Uhr in ihre Baracken zurück, wo sie häufig noch stundenlang Appell stehen mussten, bevor sie gegen 9 Uhr schlafen durften. Bereits um 12 bis 13:30 Uhr wurden sie für den nächsten Appell und das Mittagessen geweckt. Die spärliche Verpflegung bestand beispielsweise aus einer dünnen Suppe am Morgen und Mittag sowie 200 Gramm Brot mit einer Beilage am Abend, bevor die nächste Nachtschicht begann. Alltag und Verpflegung konnten sich unterscheiden, je nachdem für welche Arbeiten die Frauen eingeteilt waren. 

In den Lagern im Umfeld der Muna waren nicht nur ausschließlich jüdische Zwangsarbeiterinnen tätig, sondern teilweise auch zivile deutsche Arbeiter (u.a. vom Reichsarbeitsdienst), wodurch den Anwohnern durchaus die Existenz des Lagers bekannt war. Einen großartigen Widerstand gab es nicht. Die Überlebende Isabelle Choko erinnert sich jedoch, dass einige zivile deutsche Arbeiter es ablehnten, dass Frauen im Salzbergwerk arbeiteten, woraufhin die Frauen tatsächlich nicht mehr in der Grube, sondern vorrangig auf der Baustelle arbeiten mussten.

Quelle:
Anette Wienecke: „Besondere Vorkommnisse sind nicht bekannt“. Zwangsarbeit in unterirdischen Rüstungsbetrieben. Wie ein Heidedorf kriegswichtig wurde, Bonn 1996, S. 154-164, Isabelle Choko: Mein Leben. Lodz – Auschwitz -Bergen-Belsen – Paris, Loheide 2008, S. 77.

Zwangsarbeit und Antisemitismus 

Der extreme Antisemitismus im Nationalsozialismus führte unter anderem dazu, dass viele Jüdinnen und Juden Zwangsarbeit leisten mussten. Zwangsarbeit bezeichnet die unfreiwillige Arbeit von Menschen unter Androhung von Strafe oder Gewalt. Während des Nationalsozialismus wurden Millionen von Menschen zur Zwangsarbeit gezwungen, darunter auch viele jüdische Menschen. Diese Menschen wurden oft unter extremen Bedingungen in Fabriken, auf Baustellen oder in landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt. Die Arbeitsbedingungen waren katastrophal, und viele überlebten diese Zeit nicht.

Quelle:
Prof. Dr. Werner Bergmann: Was heißt Antisemitismus, in: Bundeszentrale für Politische Bildung, URL Was heißt Antisemitismus? | Antisemitismus | bpb.de, (Letzter Abruf 04.01.2025),  Quelle: Cord Pagenstecher: Begriffe: Fremdarbeiter – Zwangsarbeiter – Sklavenarbeiter, in: Bundeszentrale für politische Bildung, URL Begriffe: Fremdarbeiter – Zwangsarbeiter – Sklavenarbeiter | NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews | bpb.de, (letzter Abruf 18.02.2025). 


Esther Reiss


Opfer

Die Häftlinge im Lager Waldeslust

Die Gefangenen waren hauptsächlich jüdische Frauen aus Polen, Deutschland, Rumänien, Ungarn. Unter ihnen befanden sich auch Esther Reiss und Izabella Strauch-Choko.

Esther Reiss

Esther Reiss (geborene Esther Jaskowitsch) wurde 1923 in Polen geboren. Sie wurde als Jüdin verfolgt. Nachdem sie zunächst im Ghetto Lodz inhaftiert war, wurde sie in das KZ Auschwitz deportiert. 1944 kam sie in das „Frauenlager“ im KZ Bergen-Belsen. 

Wie kam Esther in das Lager „Waldeslust“?

Esther Reiss wurde im Herbst 1944 aus dem KZ Bergen-Belsen in das Lager „Waldeslust“ gebracht. Später berichtete sie, dass der Transport der Frauen mit einem Waggon stattfand. In diesem Wagen war sehr wenig Platz, weshalb alle Frauen stehen mussten und sich nicht setzen oder hinlegen durften. Wenn eine Person sich hinlegte, mussten alle Häftlinge drei Stunden mit erhobenen Armen stehen.

Esther Reiss Erinnerungen an die Zwangsarbeit im Lager „Waldeslust“ 

Esther Reiss berichtet über unterschiedliche Formen der Zwangsarbeit, die sie in Hambühren verrichten musste. Dazu gehörten unter anderem Gleisarbeiten für die Firma Hochtief. Reiss erinnert sich daran, dass sie und die anderen Frauen Steine hin und her tragen mussten und dies acht Stunden lang durchgehend. Der zuständige Aufseher hatte dabei eine Rute in der Hand, mit der er die Frauen jedes Mal auf die nackten Beine schlug, wenn sie hin und her gingen. 

Auch in der Salzgrube des Kalischachtes „Prinz Adalbert“ wurde Esther Reiss eingesetzt. Die Arbeit in der Salzgrube bestand darin, Salzblöcke auf ein Förderband zu hieven und wieder herunterzunehmen. Esther Reiss erinnert sich: „In diesen Salzgruben hatten wir ein bisschen Glück, weil in diesen Salzgruben der Arbeiter, der für die Elektrik unten verantwortlich war, ein französischer Gefangener war. Und der hat ab und zu einen Kurzschluss gemacht, damit wir uns ein paar Minuten ausruhen konnten. Und dann haben wir gehört, wie die Deutschen schreien: „Was ist passiert“ und dann hat er wieder das Licht angemacht.“

Die Arbeit Im Kalischacht „Prinz Adalbert“ beschreibt sie folgendermaßen: „Oben [am Förderband] standen diese Mädels, die diese Steine abgenommen haben. Sie können sich vorstellen, dass ein elektrisches Laufband schneller arbeitet wie Menschen. Und wir waren doch […], wir waren doch alle schon keine Menschen mehr, wir waren doch nur noch Skelette gewesen.“

Die Aufseher

Esther Reiss berichtet von gezielten Schikanen durch die Aufseher. Einer der deutschen Aufsichtsmänner hat Salzsteine genommen und den Frauen damit ins Gesicht und die Augen geschnipst. Das Gesicht hat geblutet und die Augen haben gebrannt. In einem Interview sagt sie dazu: 

„Ich war damals noch nicht so alt, ich war damals noch jung. Ich bin dagestanden und hab geguckt. Ich habe gesagt: […]  Hitler steht doch hier nicht. Hitler ist doch hier nicht da. Da steht ein junger Soldat. Da arbeiten junge Mädchen. Richtig sie sind Juden. Sie arbeiten schwer genug. Warum muss dieser Deutsche diese Steine noch raufwerfen, um diese unglücklichen Mädels zu beschädigen, zu quälen. Können Sie mir das sagen?“

Ein anderer Aufseher befahl den Frauen, die bei der Arbeit Holzschuhe und eine Art Kleid trugen, sich auszuziehen. In den Salzgruben war es sehr heiß und so sollten sie angeblich schneller arbeiten. Warum sie halbnackt nur mit einer „Unterhose“ arbeiten mussten, war für die Frauen selbst jedoch unverständlich.

Nach der Befreiung aus Bergen-Belsen

Esther Reiss wurde am 15.April 1945 im KZ Bergen-Belsen befreit. Bis Ende 1945 war sie im DP-Camp Bergen-Belsen, einem Lager für Überlebende. Im Jahr 1946 ist sie illegal in das (britische) Mandatsgebiet Palästina ausgewandert. Ein Jahr später hat sie geheiratet und bekam vier Kinder. Sie wurde Hausfrau und Mutter und lebte in Jerusalem. Sie verstarb am 30. Oktober 2017.

Quelle:
Interview mit Ester Reiss vom 05.12.2000, Archiv der Gedenkstätte Bergen-Belsen, BV 235.

Izabella Strauch-Choko

Izabella Strauch-Choko, geborene Izabelle Strauch, kam am 18. September 1928 im Lódz zur Welt. In ihrem Buch „Mein Leben – Lodz – Auschwitz – Bergen-Belsen – Paris“ spricht sie von ihren Erfahrungen als polnische Jüdin im 2. Weltkrieg. Als Tochter zweier Apotheker berichtet sie von einer schönen Kindheit inmitten des sich anbahnenden Krieges. Nach dessen Ausbruch und der deutschen Übernahme Polens begann sich ihr Leben zu ändern: Die Einführung antisemitischer Gesetze und die immer größer werdenden Probleme führten zum zwangsweisen Umzug in das Ghetto Lodz, in dem ihr Vater verstarb.

Quelle: Isabelle Choko: Mein Leben. Lodz – Auschwitz -Bergen-Belsen – Paris, Loheide 2008, S. 15-60. 

Lebensabschnitte von Izabella Strauch-Choko 

Die Karte bildet die Lebensabschnitte von Izabella Strauch-Choko ab.
orange = Deportation, grün = Lebensreisen nach der Befreiung


Izabella Strauch-Choko


Täter

Folgen für die Täter?

Ein geringer Teil der Aufseher aus Bergen-Belsen wurde vor einem britischen Militärgericht angeklagt. Die Fälle wurden in drei Bergen-Belsen-Prozessen verhandelt. Vor dem zweiten Bergen-Belsen-Prozess, welcher vom 16. bis zum 30. Mai 1946 in Celle stattfand, wurde auch der Lagerkommandant von „Waldeslust“ angeklagt. Dafür waren vor allem die Zeugenaussagen von den Gefangenen wichtig, die vom ,,War Crimes Investigation Team“ der britischen Besatzungsmacht zusammengetragen wurden. In diesen Befragungen berichten die überlebenden Häftlinge aus dem Lager in Ovelgönne von Misshandlungen wie Spatenstößen, Steinwürfen, Prügel, Belästigung und Schlafentzug. Außerdem kam es zu Erschießung einzelner Häftlinge.

Quelle:
WO 309/433, The National Archives; 761 Hameln, Acc. 35/90, Nr. 4.

Urteil gegen Karl-Heinrich Reddehase

Karl Heinrich Reddehase wurde nach dem Krieg als Kriegsverbrecher verurteilt. Er war Leiter des KZ-Außenlagers „Waldeslust“ in Hambühren. Reddehase stand wegen schwerer Vorwürfe vor Gericht. Ihm wurde vorgeworfen, Frauen im Arbeitslager misshandelt und Todesfälle verursacht zu haben. Er bzw. sein Verteidiger behaupteten hingegen, dass die Ursache für die Todesfälle die Krankheit Fleckfieber war. Außerdem erklärte er, dass die medizinischen Möglichkeiten zu seiner Zeit nicht weit genug entwickelt gewesen seien, um nachzuweisen, ob die Opfer talsächlich an den Folgen seiner Misshandlungen gestorben seien. Das Gericht ließ sich von seiner Verteidigung nicht überzeugen, und Reddehase wurde zum Tod mit dem Strang verurteilt, da das Gericht ihn für die Todesfälle verantwortlich machte. Am 11. Oktober 1946 wurde er im Zuchthaus Hameln hingerichtet. 

Quelle:
WO 309/433, The National Archives

Reddehases Verteidigung

Im „Bergen-Belsen-Prozess“ stellte Reddehase sich selbst als ,,harmloser‘‘ und ,,humaner‘‘ Aufseher dar, was sich unter keinen Umständen mit den Zeugenaussagen vereinen lässt. Er romantisierte die Situation der Häftlinge, sowohl in Bergen Belsen als auch im KZ-Außenlager „Waldeslust“:,,Sie hatten es gut bei mir‘‘. Sowohl die sanitäre Lage als auch die Verpflegung der Frauen sei ihm zufolge gut gewesen. Die schwere Zwangsarbeit in Waldeslust beschreibt er als „leichte Aufräumarbeiten“. Seine Wahrnehmung in Einklang mit den Zeugenaussagen der Inhaftierten zu bringen, ist nicht vorstellbar und stellt eine Demütigung und eine weitere stumme Aussage über seinen nicht vorhandenen Respekt gegenüber den Menschen in den Arbeitslagern dar. Auch als Reddehase in seiner Vernehmung zu dem Punkt der körperlichen Misshandlung kommt, erklärt er, dass er die Frauen in Waldeslust nur „geschlagen“ habe, weil sie ansonsten nach Bergen-Belsen gekommen wären und diese Bedingungen habe er niemandem zumuten wollen. Durch seine Wahrnehmung wird klar, wie respektlos und ohne den nötigen Ernst er sein Handeln und die daraus resultierenden Folgen für die Opfer bewertet. Trotz seiner Taten hoffte er selbst auf einen Freispruch.

Quelle:
WO 309/433, The National Archives

Biografie des Lagerkommandant Karl-Heinrich Reddehase

Lebenslauf: 

03.05.1893 Geburt

1937 Eintritt NSDAP

1939 Arbeit als Lagerwächter im KZ Mauthausen

1943 Arbeit im Arbeitslager Hinzert

Mai 1943 Arbeit im Zivilinternierungslager Bergen-Belsen

August 1944 Leiter des Arbeitslagers „Waldeslust“

Februar 1945 Auflösung des Lagers (Auslieferung von 400 Gefangenen nach Bergen)

Bis April 1945 Arbeitskontrolle in Bergen-Belsen

Ab April 1945 Marschkompanie

11.10.1946 Tod durch Erhängung in Hameln (53 Jahre)

Er hatte einen Sohn.

Quelle:
Bundesarchiv, Rechte müssen angefragt werden und Quelle muss entsprechend ergänzt werden


Izabella Strauch-Choko


Gedenken

an die über 400 inhaftierten Frauen, deren Namen zu einem großen Teil nicht bekannt …

400 Frauen

von Celia